Hessischer Verkehrsspiegel
18 Hessischer Verkehrsspiegel 04/2022 RECHT & SICHERHEIT Sachverhalt: Die Parteien stritten über die Verp ichtung der Arbeit- geberin, dem Arbeitnehmer Abrechnungen für erfolgte Lohnzahlungen zu erteilen. Die Arbeitgeberin informierte den Arbeitnehmer mit einem Schreiben vom 8.3.2019 darüber, dass die Ver- dienstabrechnungen künftig verschlüsselt in dem neuen Online-Portal „A“ bereitgestellt, und nicht wie bisher in ausgedruckter Form zur Verfügung gestellt werden würden. Um diese Umstellung zu gewährleisten, war eine erst- malige Anmeldung im Online-Portal durch die Mitarbeiter innerhalb von drei Monaten erforderlich, um ein eigenes, Umstellung ELEKTRONISCHE LOHNABRECHNUNG LAG Hamm Urt. v. 23.9.2021 – 2 Sa 179/21 Sebastian Gaubatz, Syndikusrechtsanwalt beim Fachverband Güterkraft verkehr und Logistik Hessen e. V., spezialisiert auf Arbeits- und Sozialrecht Immer mehr Unternehmen stellen auf elektronische Lohnabrechnungen um. Der Grund dafür: betriebliche Abläufe vereinfachen und den Papierverbrauch ver- ringern. Was dabei, aber auch generell bei der Erstellung von Lohnabrechnungen, zu beachten ist und warum diese so wichtig sind, erfahren Sie hier. personalisiertes Passwort zu setzen. Anschließend war es möglich, Lohnabrechnungen an eigens auf dem Betriebs- gelände aufgestellten Terminals oder von zu Hause aus abzurufen, auszudrucken oder abzuspeichern. In einem Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 28.10.2019 widersprach der Arbeitnehmer ausdrücklich der von der Arbeitgeberin eingeführten Form der Ausstellung von Lohnabrechnungen. Trotzdem wurden dem Arbeitnehmer ab September 2019 seine Lohnabrechnungen nicht mehr in ausgedruckter, sondern – wie angekündigt – in digitaler, elektronischer Form zur Verfügung gestellt. Textformerfordernis erfüllt? Der Arbeitnehmer druckte sich seine Lohnabrechnungen nicht selbst aus. Er hat die Meinung vertreten, dass ein Bereitstellen der Lohnabrechnung in elektronischer Form seiner Zustimmung bedürfe und es nicht ausreichend sei, die Lohnabrechnungen in digitaler bzw. elektronischer Form in einem Online-Portal hochzuladen. Vielmehr müsse eine Abrechnung in Textform erteilt werden. Der Textform genüge das Bereitstellen in einem Online-Portal gerade nicht. Die Möglichkeit des Abrufs der Lohnabrechnungen durch ihn selbst werde diesem Erfordernis nicht gerecht und erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen. Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dass ein Hochladen der Lohnabrechnung in das entsprechende Online-Portal den gesetzlichen Vorgaben genüge und das Textformerfordernis erfüllt sei. Eine PDF-Datei oder eine E-Mail erfüllten auch das Textformerfordernis. Daher seien die Möglichkeit eines Ausdrucks oder einer Spei- cherung dazu ausreichend und geeignet. Letztlich könne der Arbeitnehmer nicht verlangen, dass ihm Lohnabrech- nungen postalisch zugesendet würden. Das persönliche Aushändigen von ausgedruckten Lohnabrechnungen sei gleichgestellt mit hochgeladenen Abrechnungen im Online-Portal. Zumal man diese auch selbst auf den auf dem Firmengelände bereitgestellten Druckern ausdrucken könne. Es bestünde keine Zustimmungserfordernis des Arbeitnehmers. Kontaktdaten Nähere Auskünfte zu diesem Thema und weiteren Fragen des Arbeits- und Sozialrechts erhalten Mitglieder des Fachverbandes Güterkraftverkehr und Logistik Hessen e. V. kostenfrei durch die Vereinigung des Verkehrs- gewerbes Hessen e. V., Geschäftsstelle FVGKV, unter folgenden Kontaktdaten: Tel.: 069 38 980 504, Fax: 069 38 980 507, E-Mail: arbeitsrecht@gueterkraft.de 19 Hessischer Verkehrsspiegel 04/2022 Bilder: Shutterstock, privat Lohnabrechnungen verschlüsselt auf Online-Portal: Abläufe vereinfachen, Papier- verbrauch reduzieren Klage stattgegeben Das ArbG Dortmund hatte der Klage stattgegeben und die Arbeitgeberin zur Erteilung der streitgegenständlichen Abrechnungen verurteilt. Abgewiesen hatte das ArbG die Klage allerdings insoweit, als der Arbeitnehmer die Er- teilung der Abrechnungen in Papierform beantragt hat. Die seitens der Arbeitgeberin eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Entscheidungsgründe: Nach Auffassung des LAG Hamm hatte das ArbG zu Recht angenommen, dass die Arbeitgeberin die der nach § 108 GewO erforderlichen Textform des § 126 b BGB entsprechenden Lohnabrech- nungen des Arbeitnehmers erstellt hat, weil sie insofern lesbare Erklärungen, in denen die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgege- ben hat. Ihr Online-Portal sei dabei ein Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger be- ndliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzu- bewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzuge- ben. Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer auf die als PDF- Datei gespeicherten Lohnabrechnungen nur mit dem für ihn bestimmten Passwort zugreifen könne, ändere nichts daran, dass die Arbeitgeberin für den Arbeitnehmer be- stimmte Lohnabrechnungen in Textform erstellt hat. Nach § 108 GewO hat jedoch der Arbeitgeber nicht nur die Verp ichtung eine Lohnabrechnung zu erstellen und dem Arbeitnehmer den Zugang zu der erstellten Abrechnung zu ermöglichen. Vielmehr ist er auch verp ichtet, dem Arbeitnehmer die Lohnabrechnungen zu erteilen. Die Ab- rechnung bezweckt dabei die Information über die erfolgte Zahlung, sodass die Erfüllung des Lohnabrechnungsan- spruchs nicht nur die Erstellung, sondern auch den Zugang entsprechend § 130 BGB voraussetzt. Bereitstellung ist nicht gleich Zugang Der nach § 130 BGB maßgebliche Zugang liegt dann vor, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gerät, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann. Die Erfüllung des Anspruchs auf Erteilung der Lohnabrechnung in Text- form setzt demnach voraus, dass die Lohnabrechnung den Machtbereich des Empfängers erreicht hat. Eine Übermittlung der Lohnabrechnungen an eine dienstliche E-Mailadresse des Arbeitnehmers erfolgte auch nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin nicht. Verp ichtung der Arbeitgeberin Die Arbeitgeberin hat zwar dem Arbeitnehmer ermöglicht, sich die Lohnabrechnungen auf ihrem Online-Portal unter Verwendung des für den Arbeitnehmer erstellten Pass- worts abzuholen. Dies reicht jedoch für die Erfüllung der Arbeitgeberin obliegenden Verp ichtung zur Erteilung der Lohnabrechnung nicht aus, weil nicht die Bereitstellung zur Abholung durch den Arbeitnehmer, sondern die Erteilung durch die Arbeitgeberin geschuldet wird, sodass die Arbeitgeberin verp ichtet ist, die in elektronischer Form
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