Hessischer Verkehrsspiegel
22 Hessischer Verkehrsspiegel 04/2022 RECHT & SICHERHEIT D er Transport- und Logistikunternehmer ist für die Einhaltung einer Vielzahl von Vorschriften im Fuhrpark und im Fahrpersonalrecht verant- wortlich. Er muss die erforderlichen Maßnah- men ergreifen, um Verstöße gegen Vorschriften zu vermeiden. Bußgeldvorschriften in den verkehrs- und fahrpersonalrechtlichen Rechtsvorschriften sollen darauf hinwirken, dass der Unternehmer für eine rechtskonforme Unternehmensführung sorgt. Vorsicht vor Einziehung Verstöße gegen Bau- und Betriebsvorschriften, Sozialvor- schriften, aber auch genehmigungsrechtliche Vorgaben werden in letzter Zeit vermehrt auch im Rahmen von Bußgeldverfahren durch Einziehungsanordnungen gegen das Unternehmen geahndet. Die Anordnung der Einziehung ist dabei kein Bußgeld, sondern eine eigene Maßnahme, mit der den Verantwortlichen der Vermögensvorteil wieder abgenommen wird, den sie durch eine vorschriftswidrige Handlung erworben haben. Abschöpfung oder Verfall sind Begriffe, die für den nunmehr einheitlich angewandten Begriff der „Einziehung“ früher verwendet wurden. Regeln im Blick Die Beträge, um die es dabei geht, können schnell fünf- oder sechsstellig werden; Einziehungsbescheide in dieser Höhe können das Unternehmen hart treffen, wenn nicht sogar existenzbedrohend werden. Geregelt ist die Einzie- hung in § 29 a des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG). Nicht jeder Transport- und Logistikunternehmer hat bereits Erfahrung mit dieser besonderen Maßnahme der Bußgeldbehörde gemacht, möglicherweise hat er noch nie davon gehört. Beispiele für typische Fälle, in denen bereits Einziehungsanordnungen erlassen wurden: Fahrt eines Mobilkrans auf öffentlichen Straßen ohne die aufgrund der Abmessungen des Mobilkrans erforder- liche Ausnahmegenehmigung und streckenbezogene Genehmigung: 1.784 Euro nebst Auslagen Nichtbefolgung einer vollziehbaren Au age einer Ausnahmegenehmigung oder Erlaubnis bei einer Lkw-Fahrt: 19.900 Euro Unzureichende Ladungssicherung: 1.243,78 Euro Wie ermittelt die Behörde diese Werte? Zunächst ist seitens der Bußgeldbehörde ein Zusam- menhang zwischen der Erwerbstat, (beispielsweise eine Überladung) und dem Vermögenszu uss festzu- stellen. Letztendlich geht es um alle Vermögenswerte, die dem Unternehmen durch die Tat zuge ossen sind. Als Grundlage für die Berechnung der Schätzung der Vergütung werden durch Bußgeldbehörden u. a. die Kostensätze für den Gütertransport auf der Straße des Verkehrsverlages Fischer sowie die „Festlegungen der Verfahrensweise der Einziehung im OWi-Recht in Bezug auf Delikte im Straßenverkehr, Baden-Würt- temberg 2017“, oder „Kostenansätze Gütertransport Straße (GKS)“ herangezogen. Der sich dann aus diesen Kostensätzen ergebende Schätzwert dient – je nach gefahrener Strecke – zur Ermittlung der zugrun- de zu legenden Vergütung. Dieser Betrag wird dann im Sinne des § 29 a OWiG von der Firma erlangt und unterliegt damit der Einziehung. Einziehungsverfahren UNRECHT DARF SICH NICHT LOHNEN „Wir leiten gegen Sie ein Einziehungsverfahren gemäß § 29a Abs. 5 OWiG ein.“ Diese Post der Bußgeldbehörde bekommen immer mehr Transport- unternehmen. Was hat es sich damit auf sich? Da stellt sich die Frage, ob die Bußgeldbehörde grund sätzlich auf solche Schätzgrundlagen zugreifen kann. Diese pauschale Bezugnahme auf solche Kostensätze sind zunächst die einzige Möglichkeit der Bußgeldbehörde den Wert des Erlangten zu bestimmen. Sie geben die Wirklich keit des Transportmarktes nicht ansatzweise wieder. Aus diesem Grund sollte die Anwendbarkeit solcher Tabellen regelmäßig infrage gestellt werden. In einem zweiten Schritt prüft die Behörde, ob über haupt und wenn ja, in welchem Umfang Aufwendungen des Unternehmens in Abzug zu bringen sind. Das gilt jedoch nur, wenn die Aufwendungen zwar für ein verbotenes Geschäft angefallen sind, bei denen der Täter das Verbotene des Geschäfts jedoch lediglich fahr lässig verkannt hat. Es ist jedoch oft zu beobachten, dass die Bußgeld behörde von „vorsätzlicher“ und damit einer bewussten und willentlichen Begehungsweise ausgeht. In diesem Fall wird die „Gesamtheit des Erlangten“, ohne Abzug etwaiger eigener Aufwendungen des Unternehmens, eingezogen. So ndet man in Einziehungsbescheiden gelegentlich den Satz: „Aufwendungen im Sinne von § 29 Abs. 3 OWiG sind in diesem Fall nicht abzuziehen.“ Gegen diese Auffassung ist unbedingt vorzugehen, beruht sie häu g auf einer pauschalen Wertung der Behörde, die einer tatsächlichen Grundlage entbehrt. Sie führt letztendlich zu dem früher geltenden „Bruttoprinzip“, bei dem bestimmte Aufwendungen bei der Bestimmung des Umfangs des Erlangten nicht in Abzug gebracht werden können. Da ein Transportunternehmer zur Erlangung des mit seinem Auftraggeber vereinbarten Entgelts immer Auf wendungen machen muss, darf im Einziehungsverfahren nicht das komplette Frachtentgelt eingezogen werden. Das muss das Ziel jeder Verteidigung gegen einen Einziehungs bescheid sein. Einspruch einlegen Das von einer Einziehung betroffene Unternehmen kann, wie bei einem Bußgeldbescheid, gegen einen Verantwort lichen innerhalb von zwei Wochen Einspruch gegen den Einziehungsbescheid einlegen. Unabhängig von der Höhe des Einziehungsbetrages, um den es geht, entscheidet, wie im „üblichen“ Bußgeldverfahren, das Amtsgericht. Auch aus folgendem Grund lohnt es sich meistens, Ein spruch gegen einen Einziehungsbescheid zu erheben und diesen gerichtlich überprüfen zu lassen. Von Bußgeldbehörden wird häu g und pauschal auf ein Einziehungsverfahren übergegangen, ohne das zwingend erforderliche Ermessen auszuüben. Das ist aus der Sicht der Behörde möglicherweise gerechtfertigt, kann sie so nämlich höhere Geldbeträge einziehen als in einem herkömmlichen Bußgeldverfahren. Das verletzt aber den Anwendungsbereich des § 29a OWiG. Einziehungsbetrag steuerlich absetzbar Der Unternehmer darf nach Rechtskraft den Einziehungsbe scheides gezahlten Einziehungsbetrag absetzen. Grund sätzlich dürfen zwar Geldbußen, Ordnungsgelder und Ver warnungsgelder, die von einem Gericht oder einer Behörde festgesetzt werden, den Gewinn auch dann nicht mindern, wenn sie betrieblich veranlasst sind. Davon ausgenommen sind jedoch nach § 29a OWiG eingezogene Geldbeträge (auch der Kosten für Beratung und Verteidigung). Gewerbezentralregister und Fahreignungsregister Die rechtskräftige Einziehung von Taterträgen wird nicht in das Gewerbezentralregister eingetragen. Das kann gegen über einem rechtskräftigen Bußgeldbescheid ein Vorteil für das Unternehmen sein. Auch erfolgt keine Eintragung eines rechtskräftigen Einziehungsbescheides in das Fahreignungsregister. 23 Hessischer Verkehrsspiegel 04/2022 Bilder: Shutterstock, privat Beispiel: Bei einem Transport von Fenstern wurde die zulässige Höhe von 4 Metern um genau 7 Zentimeter überschritten. Grund dafür war eine quer über die Lade äche gelegte Holzlatte, an die der Fahrer nicht gedacht hatte. Gegen den Fahrer wurde eine Geldbuße in Höhe von 120 Euro festgesetzt. Dabei ging die Bußgeldbehörde von bedingtem Vorsatz aus, da er „als erfahrener Berufskraftfahrer“ hätte erkennen müssen, dass die zulässige Höhe von 4 Metern überschritten wurde. Gegen das Unternehmen wurde die Einziehung von 1.144,64 Euro festgesetzt. Hier ging die Behörde ebenfalls von einem Vorsatzdelikt aus, weshalb Aufwendungen nicht abgezogen werden konnten. Zur Person: Thomas Weik, Ass.jur. berät seit 2000 Transportund Lo gistikunternehmen, Schwerpunkt: ComplianceManagement und Risikovermeidung. TIPP: In Anhörungsschreiben im Einziehungsverfahren werden die Unternehmen oft darauf hingewiesen, dass die Schätzung dann erfolgt, wenn die für den konkreten Transport vereinbarte und bezahlte Fracht nicht angegeben wird. Die Mitteilung des Frachtentgeltes ist sicher richtig, um eine Schätzung zu vermeiden. Achten Sie jedoch darauf, nicht zu viel aus der Geschäftsbeziehung zu Ihrem Kunden preiszugeben. TIPP: Sollte die Bußgeldbehörde nicht bereits im Anhörungsver- fahren von ihrem Schätzbetrag abgewichen sein, sind spätestens bei der Einspruchsbegründung die Höhe des Frachtentgeltes und die in Abzug zu bringenden Aufwendungen anhand einer Kalkula- tion darzulegen. Nur so kann das zuständige Gericht den von der Bußgeldbehörde angesetzten Betrag entsprechend vermindern.
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