Hessischer Verkehrsspiegel

Fotos: Shutterstock/Krasula; Polizeipräsidium Westhessen Sperrung inklusive: Lkw-Unfall mit mehreren Fahrzeugen, Aufräumarbeiten führen zu Verzögerungen Häufige Unfallursache: Auffahren am Stauende durch zu geringe Abstände SERVICE | Hessischer Verkehrsspiegel 01/2023 24 25 I st es nur eine subjektive Wahr- nehmung, die sich in den Köpfen vieler –womöglich aufgrund der Berichterstattung –manifestiert hat, oder passieren nachweislich mehr Lkw- als Pkw-Unfälle? Das ist absolut korrekt, es ist eine subjektive Wahrnehmung. Wir haben nach wie vor weitaus weniger Lkw-Unfälle als Pkw-Un- fälle, das ist statistisch erwiesen. Warum es sich in den Köpfen vieler anders darstellt, ist leicht nachvollziehbar: Die Lkw-Unfälle haben einen massiveren Einfluss auf Verkehrs- störungen. Wenn zwei Autos ineinanderknallen, liegt eventuell ein bisschen Plastik auf dem Asphalt, die Pkws fahren an die Seite, und der Verkehr kann weiter fließen. Bei Lkw- Unfällen haben wir im schlimmsten Fall Ladung, die sich auf der Fahrbahn verteilt hat. Und beispielsweise einen Lkw abzuschleppen, der nicht mehr fahrtüchtig ist, das ist nicht so einfach. Es muss die Bremse entlüftet und die Kardanwelle müssen ausgebaut werden, sonst bekommt man einen Lkw nicht von der Stelle. Das bedeutet, ein Abschlepper muss kommen, der ein passendes Druckluftsystem hat. Das ist insgesamt sehr zeitaufwändig. Die Folge sind vollständige oder teilweise Sperrungen, Staus sind dann gerade in der Hauptverkehrszeit unvermeidbar. Sie haben Statistiken angesprochen – was sagen die Zahlen? Ja, ich habe mir das mal angeschaut: In den vergangenen fünf Jahren waren es in West- hessen 3.800 Lkw-Unfälle, das sind nie mehr als 700 bis 800 Unfälle pro Jahr. Im Vergleich: Pkw-Unfälle belaufen sich auf rund 2.500 pro Jahr. Warum sind in den Verkehrsnachrichten, besonders während der Rushhour, Lkw-Unfälle an der Tagesordnung? Das ist leicht zu erklären, je mehr Verkehrs- teilnehmer, desto höher die Wahrscheinlich- „ Achtung, Unfall mit einem Lkw und mehreren Pkws auf der A5 Richtung Darmstadt, aktuell ist nur ein Fahrstreifen befahrbar, die Unfallstelle wird ge- räumt“. Eine Verkehrsmeldung, die, so oder ähnlich, fast jeden Tag während der Hauptverkehrszeit im Radio zu hören ist. Das ist zumindest die Wahrnehmung vieler Verkehrsteilnehmer. Korrekt oder nicht? Wir haben bei Christian Wiepen, Polizeihauptkommissar aus dem Polizeipräsidium Westhessen nachgefragt. Stau in der Rushhour keit, dass es zu Unfällen kommt. Gerade im Feierabendverkehr sind zusätzlich die meisten bestrebt, schnell an ihr Ziel, bezie- hungsweise nach Hause zu kommen, das gilt für Pkw-Fahrer gleichermaßen. Viele Fahrer wechseln oft und schnell die Fahrbahnen, ohne Rücksicht auf die Lkw-Fahrer zu neh- men. Nach der Statistik liegt der Höhepunkt der Rushhour im Feierabendverkehr bei 17 Uhr. Das ist die Zeit, in der Lkw-Fah- rer höllisch aufpassen müssen und in der die meisten Unfälle passieren – also gar nicht mal unbedingt morgens. Was denken Sie sind die häufigs- ten Ursachen für Unfälle mit Lkws? Aufmerksamkeitsdefizite, Ablenkung, Übermüdung, Drogen, der schnelle Blick aufs Handy? Eine der häufigsten Ursachen, die wir beobachten, und die zu Unfällen führen, sind nicht eingehaltene Sicherheitsabstände. Viele Berufskraftfahrer nutzen die vorhan- denen Abstandssysteme nicht und schalten sie womöglich sogar während der Fahrt aus, damit sie im Verkehrsfluss gemütlicher mitfahren können. Denn ein eingeschaltetes Sicherheitssystem bremst jedes Mal, wenn beispielsweise ein Pkw in den Sicherheits- abstand reinfährt – und das passiert nun mal gerade in den Hauptverkehrszeiten ziemlich oft. Eine weitere Ursache, wie gerade an- gesprochen, ist der Fahrstreifenwechsel: Das gilt für beide Verkehrsteilnehmer, den Lkw-Fahrer und den Pkw-Fahrer. Wenn sie den Fahrstreifen wechseln müssen, kommt es häufiger zu Unfällen. Denn ein Lkw hat einen riesigen toten Winkel, das muss man sich bewusst machen. Eine komplette Schul- klasse passt in diesen „Totwinkel“. In Frank- reich gibt es dazu Aufkleber, die „Angles Morts“, die hinten rechts und links am Lkw angebracht werden müssen. Sie sehen zwar ein bisschen albern aus, dadurch werden aber andere Verkehrsteilnehmer gewarnt, dass es Fahrsicherheitstraining Gefahren richtig einschätzen Auch wenn die Zahlen seit einigen Jahren rückläufig sind, es gibt immer noch Unfälle mit Personenschaden, an denen mindestens ein Güterkraftfahr- zeug beteiligt ist. Das SVG Fahrschul- zentrum Südwest bietet spezielle Seminare für professionelle Kraftfahrer an, bei denen die Sicherheit beim Fahren und die technischen Hilfsmittel zum Thema gemacht werden. Das Training vermittelt die grundle- genden Anforderungen der Fahrphysik und -sicherheit. Anhand von visuellem Schulungs- und Informationsmaterial werden den Teilnehmern die aktiven bzw. passiven Grundregeln der Fahr- sicherheit erklärt, wie beispielsweise: bremsen schneller Spurwechsel ausweichen bei Hindernissen und unterschiedlichen Fahrbahnbelägen Beherrschung des Fahrzeugs in Gefahrensituationen Gefahren und Risiken im Straßenver- kehr richtig einschätzen Grenzen der Gefahrenbewältigung erkennen gefährliche Situationen frühzeitig erkennen und vermeiden. EINSATZ VERKEHRS- KONTROLLSYSTEM (VKS) Beim VKS befinden sich Ka- meras auf Brücken und auch an der Fahrbahn, um Ab- stände und Geschwindigkeit von allen Verkehrsteilnehmern, sowohl von Lkws als auch von Pkws, automatisch zu über- wachen. Bei der Auswertung werden besonders häufig Verstöße gegen den vorge- schriebenen Sicherheitsab- stand und Geschwindigkeits- überschreitungen registriert. Die Strafen belaufen sich auf Geldbußen, Punkte bis hin zu Fahrverboten.

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