Hessischer Verkehrsspiegel
oft auf Teilzeit oder Minijobs ausweichen müssen, um Familie und Beruf vereinbaren zu können. Eigentlich längst überwunden geglaubte Rollenstereotype wirken überall weiter, von der Berufswahl über die Ent- scheidung zwischen Familie und Beruf bis zur Besetzung von Stellen und der Bewer- tung von Leistungen. Was müsste aus Ihrer Sicht getan wer- den, damit Frauen im Berufsleben ein besseres „Standing“ erhalten? Ein großes wichtiges Thema ist die Verein- barkeit von Beruf und Familie – was ganz nebenbei auch den Vätern hilft. Wir haben als Landesregierung mit dem Gleichberechti- gungsgesetz die Chancen von Frauen in der öffentlichen Verwaltung verbessert. Solche Schritte sind auch in der Wirtschaft wichtig, um die Benachteiligung zu beenden. So wie wir an unseren Hochschulen Professorinnen fördern, braucht es in Firmen ebenfalls mehr Unterstützung für Frauen in Führungsrol- len. Wir als Politik sollten das noch stärker unterstützen. BRANCHE | Hessischer Verkehrsspiegel 01/2023 38 39 S ie haben sich 2015 selbststän- dig gemacht, mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen? Als ich mich zusammen mit meiner Schwes- ter selbstständig gemacht habe, haben wir die Firma unseres Vaters übernommen. Die Akzeptanz innerhalb des Unternehmens war sofort da, die Akzeptanz der Kunden mussten wir uns aber erst erarbeiten. Frauen in Führungspositionen sind immer noch selten. Und haben sie identische Positionen oder Aufgaben- gebiete wie Männer, werden sie häufig schlechter bezahlt. Was denken Sie, warum das im 21. Jahrhundert immer noch so ist? Wahrscheinlich treten Männer in Gehalts- verhandlungen selbstsicherer auf und setzen ihre Forderungen höher an. Es muss akzep- Der Internationale Frauentag oder auch Weltfrauentag, jedes Jahr am 8. März, steht für die Gleichberechtigung der Frauen auf der gesamten Welt. Der HVS hat 2023 dieses Datum zum Anlass genommen, erfolgreichen Frauen ein paar Fragen zu stellen. Starke Frauen W eltfrauentag ist am 8. März – hat dieser Tag eine besondere Bedeutung für Sie? Der 8. März ist für mich kein Tag, an dem ich Blumen erwarte, sondern an dem ich über Feminismus nachdenke. Ich habe drei Töchter: Mein Ziel ist es, sie zu starken, unabhängigen, verantwortungsbewussten jungen Frauen zu erziehen – und ja, auch zu Feministinnen. Die Gleichstellung aller Menschen, der Einsatz gegen Sexismus und gegen Diskriminierung sollte nicht nur am 8. März ein Thema sein, aber er ist ein Anlass, solchen Themen Aufmerksamkeit zu schenken. Frauen in Führungspositionen sind immer noch selten. Und haben sie identische Positionen oder Aufgaben- gebiete wie Männer werden sie häufig schlechter bezahlt. Was denken Sie, warum das im 21. Jahrhundert immer noch so ist? Darüber haben viele kluge Köpfe schon viel herausgefunden. Als Wissenschafts- ministerium fördern wir die Forschung zu solchen Themen, weil es nicht so sehr meiner Meinung bedarf, solche Missstände endlich zu beheben, sondern wissenschaft- licher Erklärungen und Lösungsvorschlägen. Fakt ist: Es gibt eine Lücke, ein Gender Pay Gap. Frauen arbeiten häufiger in personen- nahen und in sozialen Dienstleistungen, die schlechter bezahlt werden als beispiels- weise technische Berufe. Sie sind es meist, die ihre Arbeit für die Familie unterbrechen und beim anschließenden Wiedereinstieg Der 8. März ist für mich kein Tag, an dem ich Blumen erwarte, sondern an dem ich über Feminismus nachdenke. ■ ms Christine Hemmel, Spedition Hans Adam Schanz GmbH & Co. KG Angela Dorn, Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst ZAHLEN, DATEN, FAKTEN ZUM WELTFRAUENTAG Erstmals wurde ein Frauen- tag am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz gefeiert. Ent- standen ist dieser Tag in einer Zeit, in der Frauen um Gleichberechtigung, und um ihr Wahlrecht kämpften. 1921 legte ein Beschluss der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau den Tag auf den 8. März. Auch über 100 Jahre später werden Frauen weltweit nach wie vor benachteiligt und nicht gleich wie Männer behan- delt. Das gilt für sämtliche Lebensbereiche – politische, wirtschaftliche, kulturelle und auch soziale. In den Bereichen Logistik, Transport und Verkehr lag der Frauenanteil 2017 bei 20,7 Prozent . Klammert man den Bereich der Fahr- zeugführer/-innen aus, beläuft sich der Anteil weiblicher Beschäftigter in der Branche auf 28,7 Prozent . Innerhalb der Top 100 der deutschen Logistikunternehmen findet sich nur bei 18,6 Prozent der Unternehmen eine Frau in der Geschäftsführung. tiert werden, dass Frauen eben anders sind. Sie müssen dennoch als gleichberechtigte Kollegen angesehen werden. Es ist so wichtig für ein Unternehmen, eine Vielfalt von Kompetenzen und Perspektiven in die Unter- nehmensführung zu bekommen. Firmen mit Frauen in der Unternehmensführung sind sogar oft erfolgreicher, da weibliche Führungseigenschaften wie Empathie und Hilfsbereitschaft immer mehr an Bedeutung gewinnen und heutzutage Unternehmens- kultur, Wertschätzung und Work-Life Balance immer wichtiger werden. Was müsste aus Ihrer Sicht getan wer- den, damit Frauen im Berufsleben ein besseres „Standing“ erhalten? Ein gesellschaftlicher Bewusstseins- und Rol- lenwandel ist notwendig. Frauen schrecken oft vor Führungspositionen zurück, da sie als Frau mehr leisten müssen und häufig auch einem höheren Erwartungsdruck ausgesetzt sind. Wir haben es geschafft, Familie und Beruf so zu organisieren, dass kein Bereich zu kurz kommt. Wir haben es geschafft, Familie und Beruf so zu organisieren, dass kein Bereich zu kurz kommt. Fotos: Shutterstock/Roman Samborskyi, privat(2)
RkJQdWJsaXNoZXIy MzUyNzc=