Hessischer Verkehrsspiegel

7 S ie knacken Schlösser, schlitzen Planen auf oder überfallen Fahrer. Abgesehen haben es die Kriminellen auf hochwertige Elektronik oder Alkohol, auf Diesel, manchmal sogar auf ganze Fahrzeuge. Die körperlichen und seelischen Auswirkungen auf Fahrer, die Opfer von Lkw-Pira- terie werden, sind kaum zu bezi ern. Für alles Übrige gibt es konkrete Zahlen: „Allein die Warenschäden durch Lkw-Überfälle belaufen sich in Deutschland auf 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Und das macht nicht an Grenzen halt, sondern ist ein europawei- tes Problem.“ Sagt einer, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und dafür bei Speditionen und Fahrern, aber auch Versicherern und Kriminalisten recherchiert hat: Heinz Luckhardt ist Mitgründer des Start-ups Konvoi aus Hamburg. „Wir reden hier von organisiertem Verbrechen. Und von einer Situation, in der mancher Fahrer sagt: ,Mir wird das so langsam zu gefährlich‘.“ Deshalb ist das Ziel des 29-Jährigen und seinen ähnlich jungen Mitstreiter:innen Divya Settimali und Alexander Jagielo klar de niert: mehr Sicherheit im Fernverkehr! Das wollten vor den beiden Wirtschaftsinge- nieuren und der Spezialistin für Automotive Software Engineering schon andere erreichen. „Aber deren Methoden wie zum Beispiel extrasichere Schlösser, verstärkte Planen und Wände waren aus dem vorigen Jahrhundert“, sagt Alexander Jagielo, dessen Vater und Onkel ein Transportunternehmen führen. Das hilft ihm enorm dabei, die Branche zu verstehen. Was Konvoi anders macht? Den Kriminellen nicht nur das Handwerk erschweren, sondern sie schon vor der Tat abschrecken. Und dabei Daten sammeln, aus denen sich fundierte Gefahrenanalysen erstellen lassen, von denen die Branche pro tiert. Klappen soll das mit einem System, das die Grün- der:innen und ihr inzwischen zehnköp ges Team aus Software-Entwickler:innen sowie Data-Science- und Maschinenbau-Ingenieur:innen seit Oktober 2020 auf die nun erreichte Marktreife getrimmt haben. Kriminelle fügen der Transportbranche jährlich Milliardenschäden zu – durch Diebstahl von Ladung und Kraftstoff. Dem hat das Start-up Konvoi jetzt den Kampf angesagt. Mit kluger Technik will das Unternehmen aus Hamburg für mehr Sicherheit im Fernverkehr sorgen. Schützendes Geleit Das Geschäftsmodell: Zielgruppe für Konvoi sind Speditionen, aber auch Hersteller oder Versicherer Das Unternehmen: Konvoi existiert seit Oktober 2020 – und ist seit Kurzem am Markt Die Hardware: Diese Kästchen mit ausgeklügeltem In- nenleben sollen die Sicherheit im Fern- verkehr erhöhen Luckhardt wiegt einen hellgrauen Kasten von der Größe eines Schuhkartons in der Hand – sein Platz ist der Unterboden des Lkw-Auf- liegers. Hinzu kommen zwei kleinere Kästen, die rechts und links am Au ieger montiert werden. Sieht unspektakulär aus, hat es aber in sich. Der größere Kasten enthält unter anderem GPS- und LTE-Module. Das Herz des Systems sind die beiden kleineren Kästen. „Darin stecken je zwei Radarsensoren, mit denen wir den Nahbereich zu beiden Seiten des Lkw und am besonders gefährdeten Heck überwachen.“ Bewegt sich im überwachten Bereich etwas, nehmen die Sensoren das in Echtzeit wahr. Eine Kamera ist dabei nicht im Spiel. Anhand von Algorithmen wird blitzschnell die Größe des Objekts errechnet, das sich da bewegt, seine Geschwindigkeit und die Bewegungsrichtung. „Je nachdem, wie diese Daten aussehen, kann in Sekundenbruch- teilen eskaliert und genauso schnell wieder deeskaliert werden“, erklärt Heinz Luckhardt das System, das sich vor dem Marktstart bei mehreren mittelständigen Speditionen im Piloteinsatz bewährt hat und auf stetige Wei- terentwicklung ausgelegt ist. Intelligentes System Wie geht das auf dem Autobahnparkplatz, wo Kriminelle lauern könnten, vor sich? Ein Beispiel: Hat ein Pkw-Fahrer seinen Hund von der Leine gelassen, und streunt der Vier- beiner in Richtung Lkw, erkennt das System: zu klein für einen Menschen, keine Gefahr! Folgt der Pkw-Fahrer dem Hund, wird er mit gewisser Wahrscheinlichkeit zunächst als potenzieller Eindringling gewertet: Ein Lichtsignal springt an. Passiert der Hunde- halter dann aber den Lkw, verschwindet das Lichtsignal wieder. Schleicht sich dagegen ein Krimineller an und kommt dem Lkw immer näher, wird aus dem Licht- schnell ein akustisches Warn- signal. Als Nächstes kann, je nach Kon gu- ration, der Fahrer alarmiert werden – und zugleich der Disponent in seiner Spedition. „Aber wir sind überzeugt: In den meisten Fällen müssen wir gar nicht so weit eskalie- ren, weil die Kriminellen bis dahin das Weite 8 Milliarden Euro Schaden pro Jahr richten Lkw-Piraten europaweit an Wir haben eine Situation, in der mancher Fahrer sagt: Mir wird das so langsam zu gefährlich. Fotos: Robert Grischek (4) 6 SCHWERPUNKT | Hessischer Verkehrsspiegel 01/2023

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