Hessischer Verkehrsspiegel
und Schaltstrategie darauf an.“ Hatten entsprechende Systeme vor einigen Jahren noch Seltenheitswert, sind sie heute bei fast allen aktuellen Trucks serien- mäßig verbaut. Das Zusammenspiel zählt Allerdings ist dieses Assistenzsystem zugleich ein Paradebeispiel dafür, dass es mit einem rundum auf Kraftsto e zienz getrimmten Truck allein nicht getan ist. „Es kommt immer auf das Zusammen- spiel mit einem guten Fahrer an.“ Insbesondere der GPS-gestützte Tempomat werde von vielen Fahrern unzureichend oder gar nicht genutzt. „Ja, Trucks sind heute rollende Computer, mit denen man sich auskennen muss“, sagt Jan Burgdorf. „Aber dass das längst nicht bei allen Fahrer der Fall ist, kann man nicht den Herstellern ankreiden.“ Sie böten durch- weg intensive Einführungen in die Fahrzeuge an, in aller Regel bei der Abholung. „Aber die muss man dann eben auch wahrnehmen!“ Was ist in näherer Zukunft an verbrauchsrele- vanten Innovationen zu erwarten? Und wenn alle Welt – vollkommen zurecht – über alternative An- triebe redet, besteht dann nicht die Gefahr, dass sich die Hersteller nur noch mit gebremstem Schaum der weiteren Optimierung ihrer klassischen Diesel-Lkw widmen? „Es ießt derzeit sehr viel Entwicklungs- energie in E-Trucks, sie sind die Zukunft“, sagt Jan Burgdorf. „Aber diese Zukunft wird aus meiner Sicht tatsächlich noch eine ganze Weile Zukunft bleiben. Und bis dahin werden die Diesel-Lkw weiterentwi- ckelt.“ Ein vielversprechendes Thema sei dabei die „Mini-Nase“: runder gestaltete Lkw-Fronten für eine noch bessere Aerodynamik. Ermöglicht hat dies eine Gesetzesänderung, derzufolge solche Anbauten nach vorn hin nicht mehr auf die erlaubte Gesamtlänge einzahlen. „So lässt sich nochmal massiv Sprit sparen. Ein Hersteller hat das schon umgesetzt, die anderen werden nachziehen.“ Zudem werde aktuell daran gearbeitet, auch das Drehmoment bedarfsgerecht zu steuern. „Nehmen wir wieder unseren Brot-und-Butter-Motor mit den 2600 Nm, die stehen aktuell immer komplett zur Verfügung.“ Künftig werde dagegen, wiederum im Zusammenspiel mit dem Navigationssystem, zum Beispiel vor einer Steigung berechnet, wie viel Dreh- moment maximal zur Verfügung zu stellen ist, damit der Lkw die Steigung kraftsto e zient und dabei ausreichend schnell nehmen kann. „Das wird man- chem Fahrer möglicherweise nicht gefallen“, sagt Jan Burgdorf. „Aber da müssen sie durch.“ Voll auf Aerodynamik getrimmt: An Konzept studien wie dieser erproben die Hersteller, wie ihre Lkw noch windschnittiger wer den können Fotos: Shutterstock/Mike Mareen, privat 11 SCHWERPUNKT | Hessischer Verkehrsspiegel 02/2023 Bereich mag nur Verbesserungen im Mikrobereich bringen. Aber die Summe macht den Unterschied. Das gilt auch für die vielen Optimierungen in Sachen Aerodynamik. So sind an den Fronten inzwi- schen alle Ritzen geschlossen worden. Außenspiegel weichen bei immer mehr Lkw windschnittigeren Kamerasystemen, die zudem die Sicherheit deutlich erhöhen. „Bei Fernverkehrs-Lkw reden wir mittler- weile über Vollverspoilerung“, sagt Jan Burgdorf. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Stoßstange an der Front. Sie ist darauf getrimmt, den Wind so unterm Fahrzeug hindurch zu leiten, dass Verwirbelungen quasi ausgeschlossen sind. Die Seitenverkleidungen haben nach unten hin Gummilippen bekommen. Zudem werden etliche aktuelle Trucks in Fahrt durch die Luftfederung automatisch um wenige Zentimeter abgesenkt: geringere Höhere, geringerer Luftwider- stand, geringerer Verbrauch. Assistenzsysteme dienen vorrangig der Sicher- heit. Trotzdem haben die Hersteller auch hier Potenzial in Sachen Verbrauch erkannt und ausge- schöpft. „Die wichtigste Innovation der zurücklie- genden Jahre in diesem Bereich ist der GPS-gestützte Tempomat“, so Jan Burgdorf. „Der Lkw erkennt mit Hilfe des Navigationssystems die Topogra e der vor ihm liegenden Fahrstrecke und passt Fahrweise der aktuellen Modellgeneration deutlich robuster geworden“, erklärt Jan Burgdorf. Wichtigste Folge: Ein aktueller „Brot-und-Butter-Motor“ mit 340 kW (460 PS) hat ein maximales Drehmoment von 2600 Newtonmetern (Nm), und das schon bei 900 Um- drehungen pro Minute (U/min). Noch vor wenigen Jahren hätte ein Motor mit identischem kW-Wert nur rund 2100 Nm erlaubt. Und: Dieser Wert wäre erst bei etwa 1100 Touren erreicht worden. Spezielle Beschichtungen „Höhere Drehmomente bei niedrigerer Umdrehung, daran haben alle gearbeitet“, sagt der Fachjournalist. Mi einem derart motorisierten Lkw muss insbesonde- re am Berg erst später oder in vielen Fällen überhaupt nicht mehr geschaltet werden. Es kommt zu weniger Triebstrangunterbrechungen – und der Verbrauch sinkt spürbar. Hinzu kommen laut Jan Burgdorf „innermotorische Maßnahmen“. Die wichtigste sind spezielle Beschichtungen, die die Kolben mit ver- ringertem Widerstand gleiten lassen. „Grundsätzlich versucht man alles, um die Reibung innerhalb des Motors so gering wie möglich zu halten.“ Auch das wirkt sich positiv auf den Kraftsto bedarf aus. Mit ebenfalls nennenswertem Erfolg haben die Hersteller die Nebenaggregate in den Fokus genom- men. Entscheidendes Stichwort dabei: bedarfsgerech- te Steuerung. Das gilt für die Ölfüllung der Hinter- achse ebenso wie für die Wasserpumpen im Lkw. „Oder denken Sie an den Luftpresser der Bremse. Früher lief der permanent, bei aktuellen Modellen da- gegen nur noch, wenn der Luftdruck tatsächlich sinkt – und auch dann nur, wenn der Lkw nicht zu sehr unter Last steht.“ Jede einzelne Maßnahme in diesem Viele geben nur vor, sich „schon immer“ mit bestimmten Themen beschäftigt zu haben, bei Jan Burgdorf stimmt es: Von Kindesbeinen an Truck-begeistert, absol- vierte er nach dem Zivildienst den Lkw-Führerschein, jobbte neben dem Studium und dann für ein knappes Jahr in Vollzeit als Fahrer. Seit 2009 ist er Redakteur und sitzt in seiner Rolle als Tester weiterhin regelmäßig am Steuer schwerer Lkw. 10
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