Hessischer Verkehrsspiegel

SERVICE | Hessischer Verkehrsspiegel 02/2023 21 Fall 1 Breaks are only allowed on a secured und safe parking place – Pause nur auf gesicherten und bewachten Parkplätzen! Diese oft vertraglich vereinbarte und der Sicherung des Transportgutes dienende Sicherheitsbestimmung des Absenders ndet man vor allem, wenn wertvolle oder dieb - stahlgefährdete Güter wie etwa Tabakwaren, Alkohol, Elektroartikel oder elektroni - sche Konsumgüter zu befördern sind. In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Naumburg (Urteil vom 11.03.2022 – 7 U 76/21) entschiedenen Fall wurden auf einem unbewachten Parkplatz sechs Paletten mit elektronischen Gütern aus einem Lkw gestohlen. Vorgegeben war dagegen ein bewachter Parkplatz. Das Gericht nahm einen besonders schweren P ichtenverstoß an, weil sich der Frachtführer in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Absenders hinweggesetzt habe. Deshalb musste der Frachtführer den Marktwert der in Verlust geratenen Teilsendung ersetzen, eine Haftungsbeschränkung war ausgeschlossen. Fall 4 Unbeaufsichtigt abgestellte Ware. Mit dieser nicht seltenen Situation hatte sich das OLG München (7 U 4136/17) zu beschäftigen. Im verhandelten Fall hatte der Fahrer morgens wertvolles Transportgut vor dem unbesetzten Lagergebäude des Empfängers abgesetzt. Das Gericht wertete das als in besonderem Maße fahrlässig und damit als leichtfertig. Dem Fahrer hätte sich geradezu aufdrängen müssen, dass die Ware mit hoher Wahrscheinlichkeit entwendet würde, so das Gericht. Die Folge: Auch hier wurde dem Frachtführer ein quali ziertes Verschulden unterstellt – und damit die volle Schadensersatzhaftung auferlegt. Fall 3 Auslieferung von Frachtgut an eine unbekannte Person. Mit einem besonderen Fall eines quali zierten Verschuldens hatte das OLG Koblenz (2 U 221/18) zu tun. Dabei wurde ein Fahrer vor einem Gebäude, das der Empfangs - adresse des Transports entsprach, von einem Mann angesprochen. Diesem händigte der Fahrer das Frachtgut aus, ohne dafür einen Legitimationsnachweis zu verlangen. Verhängnisvoll, denn anschließend war das Frachtgut nicht mehr au ndbar. Das Gericht sah auch hier die Voraussetzungen für ein quali ziertes Verschulden aufseiten des Frachtführers als gegeben. Gerade weil sich auf dem betre enden Gelände mehrere Firmen befanden und somit davon auszugehen war, dass sich dort auch Un - befugte aufhalten, habe sich der Fahrer besonders leichtfertig verhalten. Der Fracht - führer müsse sich dieses Verhalten zurechnen lassen und könne sich weder auf einen Haftungsausschluss noch auf eine Haftungsbeschränkung berufen. Fall 2 Eignung von Fahrern für den Transport von Waren mit erheblichem Wert. Jeder Unternehmer mit Fuhrpark sollte wissen, dass die körperliche Eignung der Fah - rer auch in seiner Verantwortung liegt. Dies zu überwachen ist jedoch nicht die ein - zige P icht des Frachtführers. Nach einem Urteil des OLG Düsseldorf vom 6. Oktober 2021 (18 U 179/19) obliegt ihm auch die Überprüfung der Zuverlässigkeit der Fahrer – konkreter: der bisher stra reien Lebensführung. Auch dieser Rechtstreit drehte sich um den Diebstahl von wertvoller Ladung. Das Gericht unterstellte dem Frachtführer quali ziertes Verschulden, weil er keine Überprüfung der betre enden Fahrer auf ihre Zuverlässigkeit vorgenommen hatte – insbesondere nicht auf einschlägige Vorstrafen. Konsequenz auch in diesem Fall: Der Frachtführer haftet für den Verlust des Transportguts in voller Höhe. Praxistipp Frachtführer sollten grundsätzlich sicher- stellen und ihre Fahrer darauf festlegen, dass Frachtgut – insbesondere wertvolles – nicht ohne Nachweis an den Empfänger abgeliefert wird. Praxistipp Transportunternehmer müssen ihr Fahr- personal anweisen, sich beim Anliefern über die Identität des Empfängers und dessen Legitimation zum Empfang der Sendung zu vergewissern. Im Zweifel soll- ten sie entsprechende Instruktionen beim Absender einholen. Praxistipp Transportunternehmer sollten die Eignung ihrer Fahrer überprüfen, indem sie sich ein Führungszeugnis, Arbeitszeugnisse und/ oder Referenzen vorlegen lassen – und indem sie bei früheren Arbeitgebern nach- fragen. Das gilt umso mehr bei Fahrern, die Waren von erheblichemWert trans- portieren sollen. Diese Überprüfung muss datenschutzkonform umgesetzt werden. Praxistipp Je größer die Risiken bei einem Transport, desto höhere Anforderungen sind an die Sicherheitsmaßnahmen zu stellen. Sicher- heitsbestimmungen des Absenders gilt es dabei unbedingt zu befolgen. Bei Beauf- tragung eines Unterfrachtführers ist auf verlässliche Umsetzung der vertraglichen Vorgaben des Hauptfrachtvertrages zu achten. Foto: Shutterstock/Seahorse Vector 20 D ie Besonderheit der Haftung des Frachtführers liegt in der verschuldensunabhängigen Obhuts- haft. Diese betrifft sowohl die Haftung nach HGB (Handelsgesetzbuch) als auch – bei grenz- überschreitendem Verkehr – die CMR (Internationale Vereinbarung über Beförderungsverträge auf Straßen). Um den Frachtführer vor dieser besonderen Haftung betragsmäßig zu schützen, wurden die Haftungsbeträge begrenzt, für Güterschäden als Regel auf 8,33 SZR je Kilogramm. Bis zu diesem Punkt kennen viele Frachtführer die Rechtslage. Deutlich weniger bekannt ist die Aus- nahme dieses Haftungsprivilegs: das qualifizierte Verschulden. Dieses liegt entweder bei Vorsatz vor – oder bei leichtfertigem Handeln im Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Um diesem Risi- ko einer unbegrenzten Haftung gezielt vorbeugen zu können, lohnt es sich, über die wichtigsten Gerichts- entscheidungen Bescheid zu wissen. Beschädigung oder Verlust von Frachtgut lässt sich nicht komplett ausschließen. Umso wichtiger, dass Frachtführer vorsorgen , um im Ernstfall nicht voll haften zu müssen Qualifiziertes Verschulden – das kann teuer werden!

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