Hessischer Verkehrsspiegel
J a, sagt Christine Hemmel im Meetingraum mit der großen Fensterfront, zu Beginn sei es nicht immer einfach gewesen. „Wenn wir Kunden besucht haben, ist schon mal gefragt worden, wann denn der neue Geschäfts- führer kommt.“ Oft seien auch langfristige Pläne verlangt worden, sagt Kerstin Seibert. „Falls wir mal ausfallen. Dabei sind wir doch schon zu zweit.“ Das sind sie sehr wohl, schon seit Jahrzehnten: Christine Hemmel und Kerstin Seibert sind Schwestern. Ge- borene Schanz. Und mittlerweile vollauf angekom- men in der Branche als Geschäftsführerinnen der Spedition Schanz aus Ober-Ramstadt bei Darmstadt. Der Familienbetrieb hat ein rund 70 Personen starkes Team, davon etwa 50 Fahrer. Er hat eine Flotte mit 35 Fahrzeugen, davon 17 Gliederzüge und 12 Sattelzugmaschinen, sowie einen weiteren Standort in Nürnberg. Und seit acht Jahren hat er eben zwei Che nnen. Bei Kerstin Seibert war eine Karriere in der Logistik mehr oder weniger vor- gezeichnet. „Ich habe eine Ausbildung zur Spedi- tionskau rau in einem internationalen Betrieb in Ascha enburg gemacht.“ Nach einem Jahr in einem Vertriebsunternehmen folgte ein BWL-Studium in Bremen mit Schwerpunkt Logistik und Verkehrs- wirtschaft. „Dann bin ich hierhergekommen – klas- sischer Werdegang für eine Nachfolgerin.“ Dagegen sammelt Christine Hemmel erst mal für einige Jahre Erfahrungen in einer anderen Bran- che: bei einer Lufthansa-Tochter, im Controlling. „Lange sind wir davon ausgegangen, dass Kerstin den Betrieb im Sinne unseres Vaters weiterführt“, erzählt sie. Erst nach und nach habe sie sich mit dem Gedanken angefreundet, doch einzusteigen. Als man sich dann zu Gesprächen zusammensetzte, weil der Vater die Übergabe geklärt wissen wolle, wurde daraus Gewissheit: Führungsgeneration Nummer vier des Betriebs mit fast 100-jähriger Historie, dafür stehen die Schwestern gemeinsam! Bereits im Jahr nach dem Wechsel managten die beiden, zusätzlich zum laufenden Business, den Umbau und die Erweiterung des Firmensitzes. KLARE AUFGABENTEILUNG Die Aufgaben haben die Che nnen klar verteilt. Kerstin Seibert leitet das tägliche Transport- und Logistikgeschäft, Christine Hemmel ist für Buch- haltung, Finanzierung und Projekte verantwortlich. Lediglich das Personalmanagement erledigen sie gemeinsam. Zunächst hatten sie noch einen Ge- schäftsführer zur Seite. „Er war 40 Jahre im Unter- nehmen, hat stark im Tagesgeschäft mitgewirkt und war mit vielen Kunden im Kontakt,“ erzählt Christine Hemmel. Seit inzwischen drei Jahren ist er in Rente, und die Schwestern stehen komplett auf eigenen Beinen. „Wir hatten überlegt, einen neuen Geschäftsführer einzustellen. Aber dann kam Corona, und man war nicht unbedingt auf Mit- arbeitersuche. Und da haben wir realisiert, dass wir es auch alleine scha en.“ Ausgerechnet während der Pandemie noch- mal ein ganz neues Kapitel aufschlagen, das war sicher hart? „Natürlich haben wir die Corona-Jahre gespürt, aber sicher nicht so sehr wie etliche andere Transportbetriebe“, sagt Kerstin Seibert. Grund dafür: Wichtige Kunden der Spedition Schanz stammen aus der Baubranche, sie produzieren und vertreiben Farben und Lacke oder auch Dämmstof- fe. „Das heißt, wir beliefern zu einem beträchtlichen Teil Baumärkte, und die hatten ja fast durchgängig geö net.“ Außerdem seien die Straßen leer gewe - sen. „Manch ein Fahrer trauert heute diesen Zeiten hinterher, als es mehr oder weniger freie Fahrt gab.“ Das fahrende Personal transportiert deutsch- landweit Sammelgut wie auch Teilladungen und ist nicht zuletzt geschult im Umgang mit gefährlichen 4 GENERATIONEN, 96 JAHRE 1927 beginnt Adam Schanz sein Fuhrgeschäft mit einem Lastwagen und transportiert vor allem Baumaterialien. Einige Jah- re später sind es schon fünf Lkws. Nach dem Zweiten Weltkrieg wagt er den Neu- start –wieder mit nur einem Lkw. 1960 übernimmt Ge- neration zwei in Person von Adam Schanz, dem Jünge- ren, und setzt stärker auf Planenfahrzeuge für den Fernverkehr. Ab 1978 treibt Hans Adam Schanz den Be- trieb stark voran: Aufkäufe kleinerer Unternehmen, schrittweiser Ausbau des Firmengeländes, Vergröße- rung der Flotte und Kauf von Spezialequipment wie Kränen sind nur einige Meilensteine. Seit 2015 führen Hans Adam Schanz‘ Töchter den Betrieb. Daumen hoch für Schanz: Die Spedition hat rund 50 Fahrer und eine Flotte von 35 Fahrzeugen Fotos: Spedition Schanz (2) 37 BRANCHE | Hessischer Verkehrsspiegel 02/2023 36 Noch immer sind Frauen in der Transportbranche unterrepräsentiert, gerade in leitenden Positionen. Ganz anders bei Schanz : Den Betrieb aus der Nähe von Darmstadt leiten gleich zwei Frauen. Mit vielen klugen Ideen – und anhaltendem Erfolg „Wir scha en’s auch alleine!“ Doppelspitze: Seit 2015 leiten Christine Hemmel und Kerstin Seibert die Spedition Schanz
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