Hessischer Verkehrsspiegel

Fotos: Shutterstock/Nuad Contributor, SYTSE DIJKSTRA/DAF W e r die Websites der Lkw-Hersteller öffnet, sieht in etlichen Fällen zunächst E-Trucks. In der Branche dürfte Einigkeit herrschen: Ein emissionsfreier Straßengüterverkehr muss das Ziel sein. Immer mehr Spediteure haben einen oder sogar mehrere batterieelektrisch angetriebene Trucks in ihren Flotten. Trotzdem wird das alltägliche Geschäft weiterhin von den klassischen Diesel-Lkw bestimmt – und von Preisen an den Tankstellen auf anhaltend hohem Niveau. Damit stellt sich auch weiterhin die Frage: Was tun die Hersteller dafür, ihre Modelle auf Kraftstoffeffizienz zu trimmen? Und werden sie das angesichts der zurecht immer größeren Rolle alternati- ver Antriebe auch künftig in ausreichendem Maß tun? Wenn er schwere Lkw der jüngsten Generation bei Fahr- ten überwiegend auf der Autobahn teste, bleibe er auf 100 Kilometern in aller Regel unterhalb der 30-Liter-Marke, sagt Jan Burgdorf. „Mitunter schaffe ich 27 Liter“, präzisiert der Ressortleiter Test & Technik der in München erscheinenden Magazine „Trucker“ und „Verkehrsrundschau“. Freilich ha- ben diese Trucks das volle Programm an verbrauchsrelevanter Assistenztechnik an Bord. Dennoch: Mit einem vergleich- baren, vor fünf bis zehn Jahren aktuellen Lkw wären solche Werte nicht zu erreichen gewesen. „Da wären 31 bis 32 Liter das Minimum gewesen“, so der Experte. Das bedeutet: Die Hersteller haben in den zurückliegen- den Jahren einiges dafür getan, den Verbrauch ihrer Fahrzeu- ge zu senken. Nach Erfahrung von Jan Burgdorf gilt dabei, dass die Hersteller durch die Bank ihre Hausaufgaben ge- macht haben. „Wir können bei unseren Tests keine nennens- werten Unterschiede feststellen. Die jüngste Generation hat bei allen ein sehr ähnliches Niveau erreicht.“ Getrieben wird diese Entwicklung von den Argusaugen der Spediteure: „Nur 0,1 Prozent weniger Verbrauch eines Lkw gegenüber einem vergleichbaren Konkurrenzprodukt sind absolut kaufentschei- dend.“ Daher will kein Hersteller zurückstehen. Wo befinden sich die Stellschrauben, an denen die Inge- nieure zuletzt gedreht haben? Zum einen bei den Motoren. „Durch den Einsatz hochwertigerer Stähle sind die Aggregate Je anhaltender das Preishoch an der Zapfsäule, desto dringlicher die Frage: Wie trimmen die Hersteller ihre Lkw auf niedrigeren Verbrauch? Experte Jan Burgdorf vom „Trucker“ hat die Antworten Jedes Zehntel zählt! 9 Nicht zu vergessen der Reifendruck, der zugleich großen Ein uss auf die Verkehrssi - cherheit hat. „Der Kontrollprozess ist sicherlich recht zeitaufwendig, zugegeben. Dennoch sollte der verantwortliche Fuhrparkleiter für regelmäßige Checks sorgen“, so Stavenow. Als Faustregel gilt: 1 Bar Unterdruck erhöht den Verbrauch um ein Prozent. „Allerdings verläuft die Kurve exponenziell: Je weniger Druck im Reifen, desto stärker steigt der Verbrauch an.“ In vielen Fällen sei es sinnvoll, in eine Reifen - druckmessstation oder Sensoren in den Reifen zu investieren. Strategisch tanken Je aerodynamischer ein Lkw, desto niedriger sein Verbrauch. Deshalb arbeiten die Hersteller stetig daran, ihre Modelle noch windschlüpf - riger zu gestalten – umso mehr, seit EU-weit um bis zu 90 Zentimeter längere Fahrerhäuser zugelassen sind. Wie sollten Flottenmanager vor diesem Hintergrund damit umgehen, wenn Fahrer Zierde an ihren Trucks mon - tieren wollen? Konsequent unterbinden oder ein Auge zudrücken, um die Fahrer nicht zu demotivieren? Sicher kein ganz einfaches The - ma, Experte Stavenow hat trotzdem eine klare Meinung: „Warum sollte man die Fortschritte, die die Hersteller erzielt haben, wieder zerstö - ren, wo doch moderne Lkw auch ohne solche Anbauten sehr schön aussehen können?“ Wer wirklich kraftsto e zient unter - wegs sein will, der sorgt nicht nur für mög - lichst niedrige Verbräuche, sondern lässt auch strategisch tanken. Es mögen Binsenweisheiten sein, und dennoch lohnt es sich, immer wieder darauf hinzuweisen: Kraftsto kostet abends weniger als am Morgen, und der günstigste Wochentag an der Tankstelle ist der Sonntag. Und wenn sich das Personal daran nicht hält? Dann muss notfalls eben mit sanftem Druck gearbeitet werden, wie Stavenow betont: „Der kostenbewusste Fuhrparkmanager kann und sollte hier, zum Beispiel mithilfe von Dienstan - weisungen, auf seine Fahrer einwirken.“ Und sonst? „Alternative Antriebe spielen eine immer größere Rolle, damit muss sich auch der Fuhrparkmanager auseinandersetzen“, sagt Josef Stavenow. „Laut einer Studie des International Council On Clean Transporta - tion (ICCT) haben batterieelektrische Lang - strecken-Lkw bereits TCO-Parität mit Diesel- Lkw erreicht.“ Möglich sei das zwar bislang nur durch regulierende politische Maßnahmen wie Kaufprämien und Mautbefreiung. Aber das kann sich ändern. „Und wenn es irgendwann auch die Ladeinfrastruktur zulässt, werden elektro- und wassersto betriebene Fahrzeuge sinnvolle Alternativen zum Diesel-Lkw dar - stellen.“ Mit anderen Worten: Auch in diesem Zusammenhang heißt es, immer am Ball zu bleiben und Bescheid zu wissen! Um dem Diesel – und den Aufwendungen dafür – zum richtigen Zeitpunkt „adieu“ sagen zu können. FÜR DEN HINTERKOPF Lohnt es sich, auch die Themen autonomes Fahren und Inter- konnektivität zu beachten? Ja! Schon 2019 erbrachte ein Pilotprojekt von MAN und DB Schenker mit einem Lkw-Pla- toon – eine Kolonne aus zwei di- gital vernetzten Lkw, bei der der hintere weitgehend automati- siert dem vorausfahrenden Lkw folgte – eine Treibsto ersparnis von drei bis vier Prozent. Nicht so viel wie erho t, nach Worten von Josef Stavenow aber den- noch spannend: „Ich glaube, dieses Thema ist noch nicht zu Ende gedacht. Im Zuge der vo- ranschreitenden Digitalisierung werden wir sicher noch mehr in dieser Richtung hören.“ Verbrauchstreibern auf der Spur: Geht es um Kraftsto e zienz, sind vom Fahrer bis zur Disponentin alle Mitarbeiter:innen gefragt SCHWERPUNKT | Hessischer Verkehrsspiegel 02/2023 8

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